Essay von Janine Ketzner
Schon lange steht fest, dass in deutschen Schulen nicht oder nicht angemessen über das Thema Rassismus gesprochen wird. Immer wieder berichten People of Color von den rassistischen Anfeindungen durch Mitschüler*innen und Lehrkräfte, denen sie mangels systemischer Unterstützung ausgeliefert sind. Unter der Spitze des Eisbergs liegen nicht nur ungerechte Notenvergabe und Lehrer*innenempfehlungen – auch die Lektürelisten zeichnen sich durch mangelnde Diversität aus, sodass die weißen Schüler*innen in der Perspektive der weißen Kolonisator*innen verhaftet bleiben.
Dieses strukturelle Problem tritt jedoch nicht nur in Gegenwart von People of Color auf. Auch in deren Abwesenheit können gefährliche Mechanismen beobachtet werden, die weiße Solidarität festigen, statt Privilegien zu hinterfragen und den Raum für Perspektiven jenseits der weißen Norm zu öffnen.
Durch das Wissen, das ich heute habe, bin ich zum ersten Mal in der Lage kritisch zu hinterfragen, was mir in der Schule über den Kolonialismus beigebracht wurde. Es war nicht so, als wäre die Geschichte des Rassismus in der Schule gar nicht erwähnt worden. Ganz im Gegenteil. Im Geschichtsunterricht wurde uns lang und breit erklärt, was Kolonialismus ist und dass das Deutsche Reich da anscheinend auch mitgemischt hat – allerdings nur „ganz kurz, und längst nicht so schlimm wie Frankreich oder England“. Kein Wort allerdings darüber, dass deutsche Privatleute sich am transatlantischen Sklav*innenhandel bereicherten, lange bevor das Deutsche Reich überhaupt gegründet wurde und sich ganz offiziell in die Verwicklungen des Imperialismus einschaltete. Continue reading